Pythagoräische Skala

Eine geordnete Reihe von Tönen, die zueinander in bestimmten Intervallverhältnissen stehen, nennt man Tonsystem (Skala, Temperatur). Das älteste Tonsystem ist die pythagoräische Skala (aufgestellt von Pythagoras um 500 v. Chr.). Er reihte zwölf Quinten (Frequenzverhältnis 3 : 2) über einem Grundton auf und erhielt dabei folgende Frequenzverhältnisse:[1]

TonnameFrequenzverhältnis zum Grundton (C₁)Einige Frequenzverhältnisse
1/11
3/21,5 (= g/c)
C2/12d/c = 9/8    großer Ganzton
D9/4 = (3/2)²2,25
A27/8 = (3/2)³3,375
c4/14e/c = (9/8)²    zwei große Ganztöne
e81/16 = (3/2)⁴5,062 5
h243/32 = (3/2)⁵7,593 75
8/18fis/c = (9/8)³    drei große Ganztöne
fis¹729/64 = (3/2)⁶11,390 625
16/116gis/c = (9/8)⁴    vier große Ganztöne
cis²2187/128 = (3/2)⁷17,085 937 5
gis²6561/256 = (3/2)⁸25,628 906 25
32/132ais/c = (9/8)⁵    fünf große Ganztöne
dis³19683/512 = (3/2)⁹38,443 359 38
ais³59049/1024 = (3/2)¹⁰57,665 039 06
c⁴64/164
eis⁴177147/2048 = (3/2)¹¹86,497 558 59
his⁴531441/4096 = (3/2)¹²129,746 337 91,013 643 27    pythagor. Komma
c⁵128/1128

Reiht man die Quinten nun vom c⁵ aus abwärts an, so erhält man auch noch die Vertiefungen einiger Töne:

TonnameFrequenzverhältnis zu c⁵Einige Frequenzverhältnisse
c⁵1/11c/f = 4/3    Quart
f⁴2/30,666 666 667
c⁴1/20,5c/b = 9/8    großer Ganzton
4/9 = (2/3)²0,444 444 444
es³8/27 = (2/3)³0,296 296 296
1/40,25c/as=(9/8)²    2 große Ganztöne
as²16/81 = (2/3)⁴0,197 530 864
des²32/243 = (2/3)⁵0,131 687 242
1/180,125c/ges = (9/8)³    3 große Ganztöne
ges¹64/729 = (2/3)⁶0,087 791 495
1/160,0625
ces¹128/2187 = (2/3)⁷0,058 527 663

Setzt man die oben erhaltenen Töne innerhalb einer Oktav in die übliche Reihenfolge, so erhält man folgende Tabelle:

TonnameFrequenzverhältnis zum Grundton (c)Einige Frequenzverhältnisse
c1/11Prim
cis(3/2)⁷/2⁴1,067 871 094
des(2/3)⁵ · 1,053 497 942
d(3/2)²/2 = 9/81,125großer Ganzton[2]
dis(3/2)⁹/2⁵1,20135498
es(2/3)³ · 1,185 185 185
e(3/2)⁴/2² = (9/8)²1,265 625zwei große Ganztöne[3]
f(2/3) · 21,333 333 333Quart
fis(3/2)⁶/2³ = (9/8)³1,423 828 125drei große Ganztöne
ges(2/3)⁶ · 2⁴ = (8/9)³ · 21,404 663 923minus drei große Ganztöne[4]
g3/21,5Quint
gis(3/2)⁸/2⁴ = (9/8)⁴1,601 806 641vier große Ganztöne
as(2/3)⁴ ·  = (8/9)² · 21,580 246 914minus zwei große Ganztöne
a(3/2)³/21,687 5
ais(3/2)¹⁰/2⁵ = (9/8)⁵1,802 032 471fünf große Ganztöne
b(2/3)² ·  = (8/9) · 21,777 777 778minus großer Ganzton[5]
h(3/2)⁵/2²1,898 437 5

Das Frequenzverhältnis von zwölf übereinander angeordneten Quinten (his⁴; (3/2)¹² = 129,746 337 9) entspricht nicht dem von sieben übereinander angeordneten Oktaven (c⁵; 2⁷ = 128). Zwischen den beiden Tönen his⁴ und c⁵ liegt ein Intervall vom Frequenzverhältnis (3/2)¹²/2⁷ = 1,013 643 265. Dieses Frequenzverhältnis wird pythagoräisches Komma genannt. Die Tatsache, dass his und c, aber auch cis und des, dis und es etc. nicht übereinstimmen, ist ein großer Nachteil dieses Tonsystems. Bei Verwendung dieses Tonsystems muss man vor allem beim Modulieren mit störenden Unreinheiten rechnen. Außerdem sind nur folgende Intervalle rein: großer Ganzton, Quart, Quint, kleine Septim und Oktav. Andere Intervalle sind nicht rein, so z. B. die große Terz, deren reines Frequenzverhältnis 5 : 4 = 1,25 ist, in der pythagoräischen Skala jedoch z. B. zwischen c und e (9/8)² = 1,265 625 beträgt; es kommen aber auch noch andere Frequenzverhältnisse für die große Terz vor.

Die chromatischen Halbtöne sind übrigens nicht pythagoräisch, sondern erst im Mittelalter hinzugefügt worden.

Reine Skala

Schon im letzten Jh. v. Ch. suchte man eine für unser Ohr angenehmer klingende Skala und erstellte die sog. reine (diatonische, harmonische, didymische) Skala, bei der man versuchte, so viele reine Intervalle wie möglich zu verwenden. Die Frequenzverhältnisse der reinen Skala sind in der folgenden Tabelle angegeben:[6]

TonnameFrequenzverhältnis zum Grundton (c)Einige Frequenzverhältnisse[7]
c1/11
cis25/241,041 666 667kleiner Ganzton von h aus[8]
des16/151,066 666 667diatonischer Halbton
d9/81,125großer Ganzton
dis75/641,171 875cis plus großer Ganzton
es6/51,2kleine Terz[9]
e5/41,25große Terz[10]
f4/31,333 333 333Quart
fis45/32 = 5/4 · 9/81,406 25e plus großer Ganzton[11]
ges36/25 = (6/5)²1,44zwei kleine Terzen
g3/21,5Quint
gis25/161,562 5zwei große Terzen[12]
as8/5 = 2/(6/5)1,6kleine Sext[13]
a5/31,666 666 667große Sext
ais125/721,736 111 111gis plus kleiner Ganzton
b9/51,8Oktav minus kleiner Ganzton
h15/81,875große Septim

Diese Skala weist eine andere Schwierigkeit auf: Ganztonschritte haben keine einheitliche Größe, ihre Frequenzverhältnisse betragen 9/8 und 10/9 (bei der pythagoräischen Skala betragen sie immer 9/8). Dies erschwert das Modulieren ebenfalls. Das Frequenzverhältnis zwischen dem großen Ganzton (9/8) und dem kleinen Ganzton (10/9) beträgt 81/80[14] und wird syntonisches Komma genannt.

Mitteltönige Skala

Es gab zahlreiche Versuche, ein Tonsystem zu schaffen, das eine einwandfreie Modulation zulässt.[15] Erwähnt sei noch die mitteltönige Skala (siehe Fig. 18), bei der man versuchte, so viele reine große Terzen wie möglich zu verwenden. Bei dieser Skala sind die Quinten zu klein, zudem sind drei große reine Terzen (6/5) kleiner als eine Oktav (sog. kleine Diesis; 2/(5/4)³ = 1,024).

TonnameFrequenzverhältnis zum Grundton (c)
c1/11
cis/des535/5121,044 921 875
d161/1441,118 055 5556
dis/es128/1071,196 261 682
e5/41,25
f107/801,337 5
fis/ges805/5761,397 569 444
g160/1071,495 327 103
gis/as25/161,562 5
a107/641,671 875
ais/b161/901,788 888 889
h200/1071,869 158 879

Die reinen großen Terzen (Frequenzverhältnis 5 : 4) befinden sich zwischen den Tönen

  • c und e,
  • d und fis/ges,
  • dis/es und g,
  • e und gis/as,
  • f und a,
  • g und h,
  • a und cis/des, sowie
  • b und d.

Gleichschwebend temperierte (gleichstufige) Skala

Andreas Werckmeister (1645–1706) erstellte eine weitere Skala, bei der er versuchte, das pythagoräische Komma über die zwölf Quinten zu verteilen, in- dem er acht Quinten rein stimmte und die restlichen vier gleichmäßig verkleinerte. Das Modulieren im Quintenzirkel war nun möglich, allerdings wechselt der Charakter der Tonarten dabei von pythagoräisch zu mitteltönig.

Das heute verwendete Tonsystem wurde nicht von Werckmeister berechnet, wie häufig behauptet wird. Bei der in ihren Grundzügen schon früher angegebenen, aber erst anfangs 17. Jh. genau berechneten gleichschwebend temperierten Skala (gleichstufigen Skala), ist die Oktav in zwölf Halbtöne, die dasselbe Frequenzverhältnis aufweisen, eingeteilt. Der Wert dieses Frequenzverhältnisses fand man durch folgende mathematische Überlegung: Das Frequenzverhältnis einer reinen Oktav beträgt 2 : 1. Man suche nun ein Frequenzverhältnis, mit dem man eine Frequenz x zwölf mal multiplizieren kann, um zur Oktav der Frequenz zu gelangen (2 · x):

und somit:

Einige Beispiele: Die Töne d und gis/as sind sechs Halbtöne voneinander entfernt, ihr Frequenzverhältnis ist folglich:

Der Abstand zwischen fis/ges und ais/b beträgt vier Halbtöne, für das Frequenzverhältnis gilt dementsprechend:

Bei der gleichschwebend temperierten Skala sind alle Intervalle außer der Oktav (und alle Oktavierungen der Oktav) im Vergleich zu den reinen Intervallen verstimmt. Obwohl somit immer noch leichte Unreinheiten vorhanden sind – die unser Gehör aber nicht stören – bringt diese Skala den großen Vorteil mit, dass ein einwandfreies Modulieren möglich ist. Ein weiterer Vorteil dieser Skala macht sich auch bei den Tasteninstrumenten bemerkbar, wo der Musiker z. B. bei der pythagoräischen oder reinen Skala noch mit viel mehr Tasten umgehen musste, da bspw. cis und des nicht dieselben Töne waren. Die gleichschwebend temperierte Skala ist folglich ein einfacher und nützlicher Kompromiss. Sie ist aber nicht perfekt – unsere Schallverarbeitung (Ohr und Gehirn) jedoch auch nicht –, weshalb es immer noch Experimente mit 17-, 19-, 34-, 50 und 70-stufigen möglichst reinen Tonsystemen gibt. Selbst Arnold Schönberg (1874–1951, österreichischer Komponist, Musiktheoretiker und Maler) schrieb: «Man hätte nie vergessen dürfen, dass das temperierte System nur ein Waffenstillstand war, der nicht länger währen darf, als die Unvollkommenheit unserer Instrumente ihn nötig macht.»[16] Die Teilung der Oktav in mehr als zwölf Intervalle erwies sich aber v. a. für die Tasteninstrumente als unpraktisch.

In der folgenden Tabelle sind die absoluten Frequenzen des gleichschwebend temperierten Tonsystems vom Normalton[17] = 440 Hz aufgeführt:

TonnameFrequenz
261,625 6
cis¹/des¹277,182 6
293,664 8
dis¹/es¹311,127 0
329,627 6
349,228 2
fis¹/ges¹369,994 4
391,995 4
gis¹/as¹415,304 7
440
ais/b466,163 8
493,883 3
523,251 1

Cent-System

Um die verschiedenen Tonsysteme zu vergleichen und um andere Tonsysteme zu messen, verwendete man das sog. Cent-System. Dabei wurde ein temperierter Halbton in hundert weitere Intervalle mit gleichem Frequenzverhältnis – sog. Cents – geteilt. Das Frequenzverhältnis eines Cents beträgt:

Um aus gegebenen Frequenzen das Frequenzverhältnis x in Cent zu berechnen benützt man folgende Formel:



  1. Die blau hinterlegten Tonnamen sind die pythagoräischen Quinten. Alle Zahlenangaben sind Frequenzverhältnisse.
  2. Großer Ganzton = minus kleine Septim, da 9/8 = (9/16) · 2
  3. Es ist hier zu beachten, dass zwei große Ganztöne nicht eine große Terz ergeben. Das Frequenzverhältnis zweier großen Terzen beträgt (9/8)² = 1,265625, dasjenige einer großen Terz nur 5/4 = 1,25.
  4. Minus drei große Ganzöne heißt: drei große Ganztöne vom c aus, das eine Oktav höher liegt.
  5. Minus großer Ganzton = kleine Septim, da (8/9) · 2 = 16/9
  6. Frequenzverhältnisse von Tönen, die mit der pythagoräischen Skala übereinstimmen sind blau hinterlegt.
  7. Falls nicht anders vermerkt, beziehen sich die Intervalle auf den Grundton c.
  8. Bzw. große Septim plus kleiner Ganzton minus Oktav
  9. Bzw. Quart minus kleiner Ganzton
  10. Bzw. Quart minus diatonischer Halbton
  11. Bzw. Quint minus diatonischer Halbton
  12. Bzw. fis plus kleiner Ganzton
  13. Bzw. Quint plus diatonischer Halbton oder Oktav minus kleine Terz
  14. (9/8)/(10/9) = 81/80
  15. Die einwandfreie Modulation ist der Wunsch, dass man von jedem Ton aus eine neue Skala mit möglichst den gleichen Frequenzverhältnissen erstellen kann und sich dabei so wenig wie möglich von den reinen Intervallen entfernen muss.
  16. Schönberg, Arnold. 1911. zit. nach: Brüderlin René: Akustik für Musiker. Eine Einführung. Kassel: Verlag Gustav Bosse 1978 (7. Auflage 2003), S. 102.
  17. Der Normalton (Stimmton, Kammerton) wurde 1937 in London der ‹International Federation of the National Standardizing Associations› auf 440 Hz festgelegt.
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