Das Lemma von Goursat, manchmal auch als Satz von Goursat bezeichnet, ist ein Satz aus der Funktionentheorie.
Das Lemma von Goursat ist eine Vorstufe des Cauchyschen Integralsatzes und wird auch oft für dessen Beweis genutzt. Es spielt im Aufbau der Funktionentheorie eine wichtige Rolle. Bemerkenswert ist, dass das Lemma lediglich die komplexe Differenzierbarkeit voraussetzt, nicht aber die stetige Differenzierbarkeit. Das Lemma wurde von Édouard Goursat (1858-1936) in der Rechteckform bewiesen und 1884 veröffentlicht. Die heute übliche Dreiecksform stammt von Alfred Pringsheim.
Satz von Goursat
Gegeben sind die folgenden Voraussetzungen:
- (P1) Sei eine offene Teilmenge,
- (P2) Seien drei nicht kollineare Punkte, die das Dreieck
- definieren,
- (P3) Sei eine holomorphe Funktion,
- (P4) Sei der geschlossene Weg über den Dreiecksrand von mit Startpunkt .
dann folgt die folgenden Behauptungen gelten:
- (C1)
Beweis



- (S1) Wir definieren wird eine Folge von Dreieickswegen rekursiv
Beweisteil 1: Definition der Dreieckswege
- (S2) (DEF) Für sei der geschlossene Dreiecksweg mit:
Ferner sei und bereits definiert. Wir definieren nun induktiv.
- Begründung: (P4,UT)
- (S3) (DEF) Definition: Dreiecksweg ,
- Begründung: (S3,S4,S5)
- (S4) (DEF) Definition: Dreiecksweg ,
- (S5) (DEF) Definition: Dreiecksweg ,
- (S6) (DEF) Definition: Dreiecksweg
- (S7) (DEF) Sei der kleinste Index mit und
Beweisteil 2: Abschätzungen
- (S8)
- (S9) für alle
- Begründung: (S7,WG4,DU)
- (S10)
Beweisteil 3: Durchmesser der Teildreiecke
- (S11) Die geschachtelte Definition der Teildreiecke liefert für alle : und
- (S12) und
Beweisteil 4: Holomorphie verwenden (P3)
- (S13) Wir vewenden nun die Holomorphie von in für weitere Schritte mit
- und
- Begründung: (P3)
- (S14) Die Funktion mit besitzt eine Stammfunktion
- Begründung: da ein Polynom vom Grad 1 ist.
- (S15) Das Wegintegral über geschlossene Wege der Funktion ist damit
- Begründung: (SF)
- (S16) Für das Wegintegral über geschlossene Wege der Funktion gilt
Beweisteil 4: Abschätzung des Restglieds
- (S17) Mit gilt: Für alle gibt es ein
- Begründung: --Kriterium angewendet auf und Stetigkeit von in
- (S18) Für alle gibt es ein :
- Begründung: (S2)
- (S20) Aus der Bedingung existiert für alle ein mit für alle .
- (S21) für alle und alle
- Begründung: Der Faktor entsteht durch die fortgesetzte Halbierung der Seiten der Dreiecke
- (S22) Daraus folgt:
-
- für alle
- Begründung: (S19,LIW,IAL)
- (C1)
Abkürzungen für Begründungen
- (DU)
- (DI) Definition: Sei eine Menge
- (WE) Definition (Weg): Sei eine Teilmenge und mit . Ein Weg in ist eine stetige Abbildung .
- (SPU) Definition (Spur): Sei eine Weg in . Die Spur von ist definiert als: .
- (WZ) Definition (wegzusammenhängend): Sei eine Teilmenge. heißt wegzusammenhängend, wenn es zu beliebigen Punkt einen Weg in gibt, mit , und .
- (GE) Definition (Gebiet): Eine Teilmenge heißt Gebiet, wenn (1) offen, (2) und (3) wegzusammenhängend ist.
- (WG1) Definition (Weg glatt): Ein Weg heißt glatt, wenn dieser stetig differenzierbar ist.
- (UT) Definition (Unterteilung): Sei ein Intervall, und . heißt dann Unterteilung von .
- (WG2) Definition (Wegunterteilung): Sei ein Weg in , , eine Unterteilung von , für alle ein Weg in . heißt Wegunterteilung von , wenn gilt und .
- (WG3) Definition (Integrationsweg/Weg stückweise glatt): Ein Weg heißt stückweise glatt, wenn eine Wegunterteilung aus glatten Wegen für alle existiert.
- (WG4) Definition (Wegintegral): Sei eine stetige Funktion und ein glatter Weg, dann ist das Wegintegral wie folgt definiert: . Ist nur stückweise glatt bzgl. einer Wegunterteilung , dann definiert man .
- (SF) Satz (Stammfunktion mit geschlossenen Wegen): Besitzt eine stetige Funktion eine Stammfunktion , dann gilt für den stückweise glatten Weg , dass gilt.
- (LIW) Länge des Integrationsweges: Sei ein glatter Weg, dann ist die wie folgt definiert
- .
- Ist allgemein ein Integrationsweg mit der Wegunterteilung aus glatten Wegen , so ist als Summe der Länge der glatten Wege definiert, also:
- (IAL) Integralabschätzung über die Länge des Integrationsweges: ein Integrationsweg auf dem Gebiet , dann gilt für eine auf stetigen Funktion folgende Abschätzung:
Literatur
- Eberhard Freitag & Rolf Busam: Funktionentheorie 1, Springer-Verlag, Berlin
Siehe auch
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