Partizipien der Gegenwart können auch als Substantive verwendet werden. Dabei wird nicht zwischen Femininum und Maskulinum unterschieden. In der Tabelle sind die Formen hervorgehoben, die vom a-Stamm (mask.) abweichen.
Mask./Fem.
Singular
Plural
Nominativ
nasjand-s
nasjand-s
Genitiv
nasjand-is
nasjand-e
Dativ
nasjand
nasjand-am
Akkusativ
nasjand
nasjand-s
Vokativ
nasjand
-
Verben
Optativ
ains jah sa sama wesi bi Sabailliaus insahtai
"Nach dem Zeugnis von Sabellius wäre er ein und derselbe."
Beim sog. Optativ (Wunschform) handelt es sich eigentlich um einen Konjunktiv (Möglichkeitsform), der jedoch auch optative Funktionen übernimmt. Übersetzen kann man den Optativ (z.B. bairai) je nach Kontext mit gewöhnlichem Konjunktiv ("er trage"), konjunktiven Hilfsverben ("er würde/könnte/... tragen") oder aber auch mit "mögen" und seltener "sollen" ("er möge tragen").
bairan (IV)
Präsens
Präteritum stark
Präteritum schwach
1. Person Singular
bair-au
ber-jau
nasi-dedjau
2. Person
bair-ais
ber-eis
nasi-dedeis
3. Person
bair-ai
ber-i
nasi-dedi
1. Person Dual
bair-aiwa
ber-eiwa
nasi-dedeiwa
2. Person
bair-aits
ber-eits
nasi-dedeits
1. Person Plural
bair-aima
ber-eima
nasi-dedeima
2. Person
bair-aiþ
ber-eiþ
nasi-dedeiþ
3. Person
bair-aina
ber-eina
nasi-dedeina
Die starken Verben verwenden den 3. Ablautvokal, um den Optativ in die Vergangenheit zu setzen.
Eine Reihe von Verben besitzen im Präsens die typischen Präteritumkennzeichen (wie z. B. Themavokal /u/ oder der 2./3. Ablautvokal). Bei diesen sog. Präteritopräsentia fungiert die ehemalige Präteritumform als Präsens, während das eigentliche Präsens verloren gegangen ist. Im Gotischen finden sich 13 solcher Verben, sowie deren Ableitungen. Diese lassen sich in 6 Ablautklassen einteilen, worauf wir jedoch in diesem Lehrbuch nicht näher eingehen werden. Wir konzentieren uns auf folgende Verben:
Infinitiv
Präsens 3. P. Sg.
Präsens 3. P. Pl.
Präteritum 3. P. Pl.
Partizip Prät.
witan
wait
witun
wissedun
witans
aihan
aih
aigun
aihtedun
aihts
laisan
lais
unbelegt
unbelegt
unbelegt
kunnan
kann
kunnun
kunþedun
kunþs
þaurban
þarf
þaurbun
þaurftedun
þaurfts
skulan
skal
skulun
skuldedun
skulds
munan
man
munun
mundedun
munds
magan
mag
magun
mahtedun
mahts
ogan
og
ogun
ohtedun
ohts
Näheres zum Thema Präteritopräsentia und deren Konjugation finden Sie in der Grammatik.
wörtl.: "sollen nun alle wir [...] dem eingeborenen Sohn Gottes Gott sein anerkennen."
Ähnlich wie das Lateinische (Accusativum cum Infinitivo, Nominativum cum Infinitivo) besaß auch das Gotische komplexere Infinitivkonstruktionen. Bei diesen Konstruktionen nimmt ein Prädikat (V) eine Infinitivphrase als Objekt. Diese Infinitivphrase besitzt
(a) ein eigenes Subjekt, das im Gotischen - nach Abhängigkeit des Prädikats - im Akkusativ oder im Dativ steht, dem sog. Subjektsakkusativ bzw. Subjektsdativ und
(b) ein Infinitiv, dem sog. Prädikatsinfinitiv, das wiederum Objekte besitzen kann.
In unserem Fall löst das Verb anakunnan "anerkennen" (= V) die Infinitivkonstruktion aus. Die Phrase ainabaura sunau gudis "dem eingeborenen Sohn" ist das Subjektsakkusativ (= a), wisan "sein" ist das Prädikativsinfinitiv (= b) mit dem Objekt guþ "Gott".
Auch wenn wörtliche Übersetzungen in einzelnen Fällen möglich ist, die Faustregel besagt, dass man Infinitivkonstruktionen immer mit einem dass-Satz auflöst, in dem das Subjektsakkusativ als Subjekt (wohl gemerkt im Nominativ) und das Prädikatsinfinitiv als flektiertes Prädikat erscheint. Der Beispielsatz ist daher auf diese Weise zu übersetzen:
"wir sollen nun alle [...] anerkennen, dass der eingeborene Sohn Gottes Gott ist"