Karl Heinz Haag

Karl Heinz Haag (* 17. Oktober 1924 in Höchst am Main; † 14. April 2011 in Wiesbaden) war ein deutscher Philosoph, der als Schüler von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in das Umfeld der Kritischen Theorie gehört.

Leben

Haag, ältestes Kind einer Handwerkerfamilie, wuchs im Frankfurter Vorort Höchst auf. Von der Wehrmacht eingezogen, legte er sein Abitur in Saloniki ab und erlebte das Kriegsende in einem bayerischen Lazarett. In Frankfurt begann er ein Studium der Philosophie und Theologie, wechselte an die von den Jesuiten geführte Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, wo er 1948 das Philosophicum ablegte. Auf Empfehlung seines wichtigsten philosophischen Lehreres Caspar Nink auf Sankt Georgen promovierte er 1951 an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität bei dem aus dem Exil zurückgekehrten Max Horkheimer mit einer Arbeit über Die Seinsdialektik bei Hegel und in der scholastischen Philosophie. Anschließend war er ein enger Mitarbeiter Horkheimers und Adornos im Philosophischen Seminar der Universität und im Institut für Sozialforschung. 1956 habilitierte er sich mit einer Arbeit mit dem Titel Kritik der neueren Ontologie. In den folgenden Jahren lehrte Haag zunächst als Privatdozent und später als außerplanmäßiger Professor und Inhaber einer Diätendozentur in den klassischen Fächern der Philosophie. Auf eigenen Wunsch verließ er die Universität und widmete sich seit 1971 ausschließlich der philosophischen Forschung. Daraus gingen seine beiden Hauptwerke hervor. Karl Heinz Haag schien schon zum Zeitpunkt seines Todes vergessen. 2021 übernahm das Archiv der Universitätsbibliothek Frankfurt seinen Nachlass.[1]


Lehre

Die philosophische Position Karl Heiz Haags formierte sich zunächst in den Jahren seines Studiums an der Hochschule Sankt Georgen und in den späteren Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang seiner Promotion und seiner Mitarbeit im Team von Horkheimer und Adorno. Oft wird er als Schüler Adornos bezeichnet, aber seine Lehre geht über die Begründer der kritischen Theorie hinaus und behandelt Aspekte, die dort gar nicht vorkommen. Auf Sankt Georgen wurde er intensiv mit den philosophischen und theologischen Traditionen des europäischen Denkens vertraut. Die auf dieser Hochschule bestimmende Neuscholastik hat er bereits in seiner Dissertation von innen heraus kritisiert. Die gleichzeitig sich verbreitende Heideggersche Fundamentalontologie wird in einer für ihre Zeit sehr genauen Weise bestimmt, so dass die Kritik, die Haag später an ihr übte, sich hier abzeichnet. Die Auflösung der Aporien in der traditionellen Philosophie, wie das von Wesen und Erscheinung oder das von dem Prinzip und dem aus ihm folgenden Pricipiatum, also von Grund und Begründetem, sucht Haag in dieser frühen Schrift noch mit den Mitteln der eingehend dargestellten Hegelschen Dialektik zu finden. An diesem neuzeitlichen Scheitelpunkt der Philosophie gemessen, zeigen sich die Versuche einer Rückkehr zur mittelalterlichen Metaphysik als rückwärts gewandte Reflexionen mit "apologetischem Charakter", die ihre Vorbilder entstellen. [2] Haags charakteristische Vorgehensweise zeichnet sich hier bereits ab. Er interpretiert die historische Abfolge der philosophischen Theorien als eine systematische und bei allen Widersprüchen folgerichtige Entwicklung

Schriften

  • Kritik der neueren Ontologie. Kohlhammer, Stuttgart 1960 (Habilitationsschrift).
  • Hrsg.: Die Lehre vom Sein in der modernen Philosophie. Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt am Main 1963.
  • Philosophischer Idealismus. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1967.
  • Zur Dialektik von Glauben und Wissen. Horst Heiderhoff Verlag, Frankfurt am Main 1971 (Sonderdruck aus eidos. Beiträge zur Kultur. Band 9).
  • Der Fortschritt in der Philosophie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-57632-1. Neuausgabe Humanities Online, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-934157-40-8.
  • Metaphysik als Forderung rationaler Weltauffassung. Humanities Online, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-934157-39-4 (Leseprobe, PDF, 114 kB; Rezension von Josef Quack).
  • Kritische Philosophie. Abhandlungen und Aufsätze. Mit einem Nachwort von Günther Mensching. edition text + kritik, München 2012, ISBN 978-3-86916-214-0.
  • Metaphysische Aspekte des „Faust“. In: Rolf Tiedemann: Abenteuer anschauender Vernunft. edition text + kritik, München 2014, ISBN 978-3-86916-353-6.
  • Das Unwiederholbare. In: Zeugnisse. Theodor W. Adorno zum sechzigsten Geburtstag, hrsg.v. M.Horkheimer. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt 1963.

Literatur

  • Flasch, Kurt, Religion und Philosophie in Deutschland heute, in: Information Philosophie, Heft 2/2012
  • Hackensch, Christa, Rezension zu: Der Fortschritt in der Philosophie, Philosophische Rundschau, Heft 3/4/1985
  • Kettner, Fabian, Die Philosophie bei der Arbeit, literaturkritik.de, Ausgabe 12-2005
  • Schweppenhäuser, Gerhard, Negative Metaphysik ist genauso Metaphysik wie positive auch. Zum Metaphysikkonzept bei Adorno, Haag und Mensching, in: Julia Jopp et al. (Hgg.), Ultima Philosophia. Zur Transformation von Metaphysik nach Adorno, Berlin 2020
  • Schweppenhäuser, Gerhard, Kritische Theorie und heideggerische Design-Ideologie, in: ders., Design, Philosophie und Medien. Perspektiven einer kritischen Entwurfs- und Gestaltungstheorie, Wiesbaden 2019
  • Wer ist wer? Das Deutsche Who’s Who. 2006, S. 465.
  • Wiebe, Christian, Doppel-, Dreifach-, Multigänger und Karl Heinz Haags Nachdenken über die Metaphysik, Merkur, Heft 882/2022, S. 90–95.

Einzelnachweise

  1. Jürgen Kaube: Gegen die Verachtung der Wahrheit. In: faz.net. 14. April 2021, abgerufen am 14. April 2021.
  2. Karl Heinz Haag: Die Seinsdialektik bei Hegel und in der scholastischen Philosophie, In: Kritische Philosophie. Hrsg.: Rolf Tiedemann. edition text und kritik, München 2012, ISBN 978-3-86916-214-0, S. 221.
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