Zur Rechentechnik
Für einfachere Formeln in diesem Abschnitt sorgen dimensionslose Längen, Zeiten, Energien. Die Variablen sollen so skaliert werden, dass aus Schrödinger-Gleichungen die Faktoren wegfallen. Es kommen ja nur Elektronen vor mit Ladung q und Masse m.
Definiere Dimensionsloses in Großbuchstaben.
Einsetzen von ergibt
- Längeneinheit Energie-Einheit Zeiteinheit
Mit diesen Bohrschen Einheiten sind Ladung und Masse der Elektronen und das Wirkungsquantum im Folgenden rausgeworfen. Symbole wie sind dimensionslos und bedeuten und so weiter.
Zur Herleitung einiger Näherungsverfahren des Viel-Fermion-Problems werden Elemente der Funktionalrechnung gebraucht, die auch woanders nützlich sind.
Lagrange-Multiplikatoren
Das Problem, extreme Werte einer glatten Funktion f(x) von n Variablen
zu finden, führt unweigerlich zur Aufgabe, den Gradienten,
also alle partiellen Ableitungen, auf Null zu setzen:
Nun sollen k Nebenbedingungen dazu kommen, etwa
Glatte Nebenbedingungen natürlich, dazu nur mit einfachen Nullstellen.
Wir Normalmenschen versuchen zuerst, die Sache auf (n-k) unabhängige
Variablen umzurechnen und dann wie im uneingeschränkten Fall fortzufahren.
Lagrange war schlauer als normale Menschen und fand einen besseren Trick
mit (n+k) unabhängigen Variablen. Mehr statt weniger!
Angenommen, bei sitzt ein Extremum von f, auf der Teilmenge mit den k Bedingungen Dann gibt es mindestens (n-k) linear unabhängige Richtungsvektoren am Punkt x und (n-k) Geraden als Tangenten der Mannigfaltigkeit Für diese verschwinden folgende Ableitungen bei
Die Gradienten von f und von den k Bedingungen stehen also senkrecht auf den (n-k) unabhängigen Richtungsvektoren. Insgesamt sind das (k+1) Gradienten der Dimension n. Folglich müssen sie linear abhängig sein und es gibt Faktoren so dass
Nun definiert man die Funktion von (n+k) Variablen
Am Punkt ist ihr Gradient Null, denn:
Es folgt der Lagrange'sche Algorithmus zu Optimierungen und so weiter: Zur Funktion f(x) mit gesuchtem Extremum werden die Nebenbedingungen mit Lagrange-Multiplikatoren addiert. Dann wird nach unbeschränkten Extrema im Definitionsbereich von gesucht.
Multiplikator-Methode mit Funktional-Ableitungen
Für nichtlineare Funktionale gibt es eine Differenzialrechnung und die häufige Suche nach stationären oder extremen Werten. Das Wirkungprinzip für Bahnkurven und für Felder jeder Art ist Anwendungsfall Nummer Eins in der Physik.
Ein Funktional A sei hier eine Abbildung von einem Definitionsbereich von glatten, stark abfallenden Funktionen in den Wertebereich der reellen Zahlen. Die Funktionen sollen vom Typ sein und die Funktionale sind lokal oder bi-lokal oder komplizierter. Etwa so:
Die Funktionalableitung wird definiert, so dass sie sich verhält wie die Gradienten einer Funktion y() von mehreren Variablen:
Das heißt, ist ein Integralkern für die lineare Approximation eines Funktionals, wenn zum Argument 'kleine' Abweichungen kommen.
Das Extremalproblem, etwa ein Prinzip der stationären Wirkung, führt auf ein Gleichungssystem Fürs lokale Funktional des ersten Beispiels ist die Funktionalableitung
Die alternierenden Vorzeichen kommen über partielle Integration herein.
- Sei
- Bezeichne
Ist M symmetrisch bei Vertauschung dann bekommt man als Integrand
Nebenbedingungen bei der Suche nach Extremalen von A[f] könen zweierlei Form haben. Entweder handelt es sich ebenfalls um Funktionale oder aber es sind wesentlich strengere punktweise Kriterien Der erste Fall ist beispielsweise eine Normalisierung der Lösung f, der zweite Fall ist eine Eichung. Lagrange-Multiplikatoren, die sich an A[f] als weitere Argumente anfügen, sind einfache reelle Variablen bei Funktional- Bedingungen oder neue Funktions-Freiheitsgrade bei punktweisen Bedingungen.
Der Beweis, dass der Multiplikator-Algorithmus bei Funktionalen richtig ist,
wäre zum Beispiel als Grenzübergang zu führen: ersetze die Definitions-
Mannigfaltigkeit der Funktionen durch N Gitterpunkte. Dann sind die Funktionen
einfach hochdimensionale Tupel; das Funktional wird beliebig gut angenähert
durch eine Funktion endlich vieler Variablen. Nur bei endlicher Dimension
greift das ursprüngliche Argument aus der Linearen Algebra zur Existenz der
Multiplikatoren.
Intuitives Argument: Ein Funktional A[f] ist extremal, wenn jegliche Variation
nur dann den Wert von A linear verändert, wenn aus
der erlaubten Teilmenge herausführt, also mindestens eines der
nicht verschwindet. Das heißt, wenn die Funktionalvariation
eine Linearkombination ist aus den Variationen der Nebenbedingungen.
- Funktional mit Nebenbedingungen:
A[f] ist stationär für die Funktion wenn es ein Tupel so gibt, dass:
Bei komplexwertigen Funktionen im Funktional greift ein wichtiger Trick aus der
Differenzialrechnung: Statt algebraische Ausdrücke mühsam in den partiellen
Ableitungen nach dem Realteil und Imaginärteil eines komplexen Arguments
zu entwickeln, benutzt man die partiellen Ableitungen nach dem
Symbol und nach seinem Konjugierten zu betrachten als zwei
unabhängige Variablen -- mit allen gewöhnlichen Produktregeln
und so weiter. Es ergeben sich äquivalente Gleichungssysteme.
Ist ein Funktional reellwertig und invariant unter einer
Symmetrie dann reicht es
aus für Extremalprinzipien und ähnliches, das Tupel der komplexwertigen
Funktionalableitungen auszurechnen.
Beispiel 1: Funktional
- Einfach nach den Regeln:
Beispiel 2:
Hartree-Fock-Gleichungen
Die Näherung von Hartree und Fock ist ein Variationsansatz, um
das Minimum des Energie-Erwartungswertes für ein System aus n Elektronen
zu suchen. Als Wellenfunktionen erlaubt man nur reine Produktfunktionen aus
n linear unabhängigen Einteilchen-Wellen, genauer, die Slater-Determinanten.
Verschränkte Funktionen werden also ignoriert! Nebenbedingung ist, dass
die n Faktorwellen ein Orthonormalsystem bilden. Der
Erwartungswert des Hamiltonoperators ist dann ein Funktional auf der Menge der
n-tupel von Funktionen Er hat lokale kinetische und
externe Anteile zweiter Ordnung, sowie einen bilokalen vierter Ordnung mit dem
Wechselwirkungs-Potenzial. Unter Funktional-Nebenbedingungen wird
das Extremalproblem mit Lagrange-Multiplikatoren aufgesetzt. Dies liefert
n Integro-Differenzial-Gleichungen für die n Einteilchenwellen.
Die Anwendung auf Atome und Moleküle geschieht in der Approximation
von unbeweglich angeordneten Kernen, die das externe Potenzial beisteuern.
Es geht darum, einen reellen Energie-Erwartungswert zu minimieren, mit folgenden Randbedingungen:
- Die n-Teilchen Wellenfunktion ist eine Slater-Determinante von Einteilchen-Funktionen
- (Orthonormierung).
Der Erwartungswert sowie die Normierungsbedingungen sind reelle Funktionale auf einer Menge von n-komponentigen Funktion und sind Integrale über algebraische Terme der und ihrer komplex-Konjugierten. Daher brauchen wir nur die Funktionalableitungen
Auszurechnen ist der Energie-Erwartungswert der Slater-Determinanten mit orthonormalen Die n-Elektronen-Welle hat die Form
Die Determinante kann entwickelt werden als Summe über die Permutationen der Indizes von oder derjenigen von hier wird gebraucht:
Mit dem externen Atomkerne-Potenzial und dimensionslosen Variablen ist der Hamilton-Operator H die Summe von:
- Einteilchen-Kinetischer Energie
- Anziehung durch die Kerne
- Coulomb-Abstoßung
Die Coulomb-Summe hier zählt alle Paare von Indizes nur einmal, ungeordnet.
Nun zur Kombinatorik des Erwartungswerts
Ein Einteilchen-Operator sieht jedes wenn es als in einem Term der Determinanten auf beiden Seiten auftaucht und wenn beide Terme die exakt gleiche Permutation sind (Orthonormalität). Das macht (n-1)! Kopien von alle mit positivem Vorzeichen. Insgesamt, weil die Fakultät mit zwei Faktoren von wegschmilzt:
Eine symmetrische Summe von Einteilchen-Operatoren ergibt Damit folgt der Anteil T+V des Hamilton-Operators
Eine symmetrischer Zweipunkt-Operator fängt zwischen zwei Determinanten jedes Paar von Wellenfaktoren viermal ein, mit Minuszeichen für die vertauschten Terme:
weil jede Paarvertauschung eine Permutation mit Vorzeichen Minus ist. Für jeden Term fallen (n-2)! Kopien an für die Permutationen der anderen Indizes außer j,k. Nur gleich permutierte Terme beider Slater-Determinanten lassen dabei wegen Orthonormalität den Faktor 1 durch. Alles zusammengefasst mit Integralvariablen r,s und einem Faktor 2*(n-2)!:
Das Ergebnis hängt nicht von den Indizes (j,k) ab. Die Summe geht über die Menge der (ungeordneten) Paare und ist nicht als Doppelsumme über zwei Laufindizes zu lesen. Vertauschte Ordnung eines Paares verändert keines der zwei Integrale, weil jeweils zu kompensieren mit Die Symmetrie P(r,s)=P(s,r) wird ja vorausgesetzt.
Der Coulomb-Operator ist nun die Summe von n(n-1)/2 genau solchen Zweipunkt-Termen. Alle erzeugen sie Gleiches, also gilt da der letzte Ausdruck. Der Faktor vor der Summe hebt sich weg, und Schreibweise des Coulomb-Funktionals mit Blick auf baldige Funktionalableitung:
Hier unterscheiden wir den direkten Anteil D und den Austausch-Teil X, der all die Terme mit Minuszeichen aufsaugt.
Zusammengefasst. Der Hamilton-Operator-Erwartungswert ist also ein Funktional auf einem Raum der Wellen-Tupel
mit der Bedingung, dass Wellentupel orthonormal sind. Gesucht wird ein Minimum des Funktionals.
Das Energie-Funktional wird nun mit Lagrange-Faktoren ergänzt zu
muss reell sein wie E, bei unbeschränkter Variation von Daraus folgt eine hermitesche Multiplikator-Matrix Außerdem ist F invariant unter den unitären Matrixtransformationen:
Denn die Summen bleiben gleich und die Slater-Determinanten
transformieren sich zu
Wegen Unitarität ist ein konstanter Faktor vom Betrag 1, der die
Erwartungswerte von hermiteschen Operatoren nicht ändert.
Es kann nun jede hermitesche Matrix unitär auf Diagonalform
gebracht werden. Nach einer solchen Symmetrietransformation hat
das Funktional F eine Darstellung mit einem
physikalisch gleichen Zustand, der wesentlich einfacher aussieht:
Wird so die unitäre Redundanz rausgeworfen, reduziert sich das Variationsproblem damit auf n reelle Lagrange-Faktoren und n Gleichungen für die Einteilchenfunktionen:
Die Funktionalableitungen von wurden schon ziemlich vorgekaut, weil oben bewusst die Teile von E als Integrale von mal irgendwas vorkommen. Man liest direkt die Anteile (T+V) und Q=(D-X) ab.
Beim Q-Anteil wird wegen der besprochenen Paarsymmetrie aus der Summe für die Ableitung Nummer i nur l=i ausgewählt, der andere Index durchläuft alle Werte ungleich i. Daher mit
Noch ein Trick: Nun wird formal auch m=i in den Summen zugelassen, weil sich diese Terme aufheben. Die zwei Teile des effektiven Potenzials saugen jeweils einen Selbstenergie-Term auf.
Die Dichte der Elektronenwolke ist folgende Summe von Betragsquadraten
- Es gilt
Eine Zweipunkt-Korrelation sei definiert als
Dann liest sich die Ableitung von Q als ein klassisches lokales Potenzial mit der Ladungsdichte minus ein nichtlokales Potenzial mit der Korrelation.
Der Teil als Coulomb-Potenzial überrascht nicht. Der andere Teil heißt Austausch-Wechselwirkung -- ein Quanteneffekt für gleiche Fermionen.
Der Erwartungswert kann als Funktion von ausgedrückt werden, wenn man Anteile l=m dazu zählt und mit der halben Doppelsumme hantiert.
Weil für l=m die Termpaare gleich sind, funktioniert die Transformation
Die Teilsumme ist die klassische Coulomb-Energie einer Ladungswolke, die andere Summe zieht davon einen manifest positiven Anteil ab. Wurde aber nicht gesagt, dass gleiche Fermionen sich mehr abstoßen sollen als unterschiedliche Teilchen? Tun sie. Diese Abstoßung ist hier über das Pauli-Prinzip in den gezwungen orthogonalen Einteilchenwellen verpackt; der Austauschterm korrigiert offenbar etwas von dessen Übertreibung.
Das n-Tupel von Variationsgleichungen sind gekoppelte Gleichungen vom zeitunabhängigen Schrödinger-Typ, in denen die Wellen nichtlinear auf das Potenzial rückwirken -- darüber hinaus taucht ein nichtlokaler Integralkern auf. Der effektive Einteilchen-Hamilton-Operator hängt von den Lösungen ab.
Damit sieht der Hartree-Fock-Algorithmus für den Grundzustand etwa so aus: Zuerst errate man zu vorgegebenen Kern-Positionen eines Moleküls eine vorläufige Ladungsdichte und versuche sie anzupassen mit einem n-Tupel von orthonormalen Wellenfunktionen. Eine Möglichkeit, den Motor der Iteration anzukurbeln, ist es, die vereinfachten Hartree-Gleichungen zu lösen, worin der Austauschteil entfällt und Schrödingergleichungen dableiben:
- Selbstkonsistenz-Bedingung:
Dann berechne man mit den n niedrigsten Wellenfunktionen die Ladungsdichte neu und die Zweipunkt-Korrelation. Danach finde man n verbesserte Zustände der modifizierten Einteilchen-Schrödinger-Gleichung mit nichtlokalem Potenzial. Mit dem neuen n-Tupel wiederhole man die Prozedur Wellenfunktionen Ladungsdichten, bis hoffentlich Konvergenz erfolgt. Die selbstkonsistene Iteration ist natürlich sehr rechenintensiv und garantiert keine große Präzision. Hartree-Fock ist eine Referenzmethode, auf der zahlreiche verfeinerte Algorithmen für Computereinsatz aufbauen.
Zu beachten. Die Summe der ist nicht die Energie des Grundzustands.
Hier kommen Doppelsummen in den Elektronpaar-Wechselwirkungen vor. Sie werden
in der Epsilon-Summe doppelt gezählt im Vergleich
zu den einfachen Paarsummen im Energie-Funktional.
Zumindest messen die nicht ganz unrealistisch die Ionisierungs-
Energie für Elektronen. Die Energie, die man aufbringen muss, um das eine
oder andere Elektron vom Molekül abzutrennen.
Der Spin wurde bis hierhin nicht erwähnt. Er ändert nicht viel an der Theorie. Statt gibt es mit einem diskreten Index und jedes Integral wird zu Die Coulomb-Wechselwirkung hat in nullter Näherung keine Spin-Abhängigkeit. Slater-Determinanten sind nicht Null, wenn zum Beispiel zwei die gleiche Ortsfunktion haben, jedoch linear unabhängige Tupel (mit indexiert) als Faktoren. Jedes Orbital-Niveau kann von zwei Elektronen mit verschiedenen Spinrichtungen besetzt werden.